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Beitrag vom 27.10.2008
Hélène Grimaud spielt Bach
»Nana« Nicole Wenger
Die französische Starpianistin lässt sich mit ihren neuen Bach-Interpretationen und virtuosen Arrangements auf ein gewagtes Spiel ein.
Hélène Grimaud gehört zu den erfolgreichsten und bekanntesten MusikerInnen unserer Zeit. Sie wurde von ihren KritikerInnen zunächst als Wunderkind und später als "Philosophin am Klavier" gefeiert, um kurze Zeit später auf die Frau "die mit dem Wolf tanzt" reduziert und stilisiert zu werden. Ihre Biografie und ihr persönlicher Lebensstil scheinen mitunter ihre musikalischen Leistungen aus dem Fokus zu verdrängen, ein Schicksal, das sie mit ihren ebenfalls berühmten Kolleginnen wie beispielsweise Anne-Sophie Mutter oder Anna Netrebko teilt.
Hélène Grimaud fasziniert und irritiert mit ihrer Eigenwilligkeit und Vielseitigkeit Publikum und KritikerInnen gleichermaßen, denn sie verweigert und offenbart sich gleichermaßen dem Publikum. Sie erweckt den Eindruck einer Suchenden, die dennoch nicht von ihrem Weg abzubringen ist. Ihren internationalen Erfolg konnte sie mit der Interpretation Rachmaninovs manifestieren, ein Unterfangen, vor dem sie von allen Seiten gewarnt wurde. Grimaud belehrte die ZweiflerInnen eines Besseren ... Dies liegt nun bereits einige Jahrzehnte zurück.
Nun präsentiert uns die Pianistin zum ersten Mal ihre Interpretation oder vielmehr die persönliche Bedeutung des Wohltemperierten Klaviers und anderer Werke J. S. Bachs. In Interviews betont sie den enormen Respekt und ihre Ehrfurcht vor diesem Komponisten, der mit seinen Werken eine musikalische "Bibel" geschrieben habe und der als "Ursprung" vieler nachfolgender KomponistInnen zu sehen sei.
Johann Sebastian Bach lässt sich in der Tat als Alpha und Omega der Klassik bezeichnen. An Bach üben sich KlavierschülerInnen und an ihm werden PianistInnen gewertet. Sich mit Bach auseinanderzusetzen bedeutet auch, sich mit dem Genie Glenn Gould in einen Vergleich setzen lassen zu müssen - ein Wagnis.
"Bachs Musik ist so aufrichtig und direkt, sie erreicht das Zentrum der menschlichen Seele. Es gibt keine Möglichkeit zu mogeln."
Grimaud unterstreicht ihr Anliegen mit einem kristallklaren, mitunter fast stählernen Anschlag. Bachs Präludien und Fugen entwickeln sich unter ihren Händen zu gläsernen Kaskaden. Ihr Spiel wirkt hoch konzentriert, kontrolliert und kühn. Dennoch strotzt es vor Leidenschaft und Temporeichtum, der sich unter der unsentimentalen Objektivität zu verstecken versucht.
"Die Chaconne ist der eindrucksvollste Satz, den Bach je schrieb – sie gleicht der Architektur einer Kathedrale, die einzelnen Variationen sind wie Licht, das durch unterschiedlich getönte Glasfenster fällt."
Entstanden ist ein wundervolles modernes Klangwerk, das wieder einmal unterstreicht, dass Hélène Grimaud eine Ausnahme-Künstlerin ist, die sich sensibel und reflektiert mit den Größen der klassischen Musik auseinandersetzten kann.
Weiterlesen und -hören: Lesen Sie das Interview mit Hélène Grimaud sowie die Rezensionen zu ihrem Buch "Wolfssonate" und zur CD "Hélène Grimaud spielt Chopin und Rachmaninov" auf AVIVA-Berlin. 2007 erschien ihr Buch "Lektionen des Lebens: Ein Reisetagebuch".
AVIVA-Tipp: Hélène Grimauld spielt Bach und setzt ihn in einen neuen zeitgemäßen Zusammenhang. Dabei verknüpft sie ihre individuelle Beziehung zu Bach mit den Einflüssen, die dieser auch auf andere herausragende Komponisten wie Liszt, Busoni und Rachmaninov hatte. Dabei hat sie ein Stückchen Musikgeschichte freigelegt, kräftig den Staub abgeblasen und auf ihr neues Album gebannt! Wir dürfen auf die Fortsetzung gespannt sein.
Weitere Informationen zu Hélène Grimaud und ihren Konzerterminen finden Sie unter
www.deutschegrammophon.com/grimaud-bach
www.helenegrimaud.com
Hélène Grimaud
Bach
Deutsche Grammophon, erschienen Oktober 2008